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BILLBOARD
führte eine Bluegrass-Album-Hitparade ein
Rettet die Bluegrass Music jetzt die Country Music?
Von Hauke Strübing
Was die Musikzeitschrift BILLBOARD am 6. Juli 2002
ankündigte und am 20. Juli 2002 verwirklichte, kommt einer Country-Revolution
gleich: Neben der seit Januar 1964 bestehenden Country-LP-Hitparade TOP COUNTRY
ALBUMS und der vor einigen Jahren hinzugefügten Zusammenstellung der
erfolgreichsten Country-Katalog-CDs bereicherte die US-Musik-Zeitschrift in der
3. Juli-Woche das Country-Geschehen mit einer Bluegrass-Hitparade - den 15 "TOP
BLUEGRASS ALBUMS".
Diese Hitparade ist nur noch der letzte logische Schritt
einer sich vor Jahren schon anbahnenden katastrophalen Entwicklung der Country
Music im allgemeinen. In der Folge sinkenden Kaufinteresses an
Country-Platten/CDs reduzierte BILLBOARD bereits Anfang 2001 die wöchentliche
"HOT COUNTRY SINGLES & TRACKS"-Hitparade von 75 auf 60 Positionen und
dokumentierte damit den Mangel noch verwertbarer Country-Aufnahmen.
Und noch einmal BILLBOARD: In der Vergangenheit konnte man
nicht lange genug auf die diversen Sonderbeilagen zu Country-Events warten.
Schon im Jahr 2000: Leermeldung, vergebliches Warten. Das gleiche in der
Jahresendausgabe: Während die Gebiete Pop, Rap und vor allem Latino geradezu
überquollen, gab es für die Country Music nur Dünn-Meldungen. Nun liegt das
alles am wenigsten an BILLBOARD. Und das hier Gesagte ist alles andere als
Kritik an BILLBOARD. Nein, nein, BILLBOARD spiegelt nur den Zustand des
Musik-Genres COUNTRY wieder. Im Augenblick gibt es eben nichts anzumerken über
die Country Music, bestenfalls Negativmeldungen: Die Verkaufszahlen sinken,
Studios schließen ihre Tore, das AM-Programm von WSM sollte eingestellt werden,
was durch Proteste schließlich verhindert werden konnte (WSM überträgt
bekanntlich die Grand Ole Opry live - seit nunmehr 75 Jahrenplus), und noch
einmal die Grand Ole Opry: Sie zieht während der Wintermonate vom Grand Ole
Opry-House am Briley Parkway in das historische Ryman Auditorium in Downtown
Nashville um. Warum wohl? Vielleicht um Heizkosten zu sparen? Mag auch sein.
Aber nicht allein deswegen.
Wen wundert es da noch, daß sich die Country Music
schließlich selbst auf den Arm nehmen mußte: "Death On Music Row" heißt das
Schlagwort seither. Und "Too Much Country?" heißt eine andere Frage. Das
Top-Ereignis des Jahres 2001, die Award-Verleihung der Country Music Association
am 7. November, wurde dann zum Abgesang des Gewöhnlichen und zum Festival der
Bluegrass Music. Und hier schließt sich nun wieder der Kreis. Und man muß zu dem
traurigen Schluß einerseits kommen und gleichzeitig doch hoch erfreut sein, daß
die Bluegrass Music als einziger traditioneller Zweig der Country Music
gegenwärtig erhalten geblieben ist. Allein diese Erkenntnis ist eine schallende
Ohrfeige für all diejenigen, die diese Entwicklung herbeiführten.
Daß die Bluegrass Music inzwischen diesen hohen
Stellenwert gewonnen hat, sollte auch bei uns alle diejenigen aufwecken, die
immer noch an den Cowboy-Effekt der Country Music glauben und an ihm festhalten.
Das hohe Ansehen der Bluegrass Music ist schließlich eine späte Genugtuung für
all diejenigen deutschen Kommentatoren, die das hohe Lied des Bluegrass seit
Jahrzehnten gepredigt haben. Und alle anderen sollten sich schnell mit den
Biographien von Ralph Stanley, Earl Scruggs, Ricky Skaggs, Jerry Douglas, Bill
Monroe, Jimmy Martin, Lester Flatt und tausend anderen befassen und nicht
fragen: Wer ist denn das?
Wie es also aussieht, ist derzeit von der großen Tradition
der Country Music nur noch die Bluegrass Music übrig geblieben - neben einigen
nicht hoch genug einzuschätzenden Leistungen einzelner aus der
Non-Bluegrass-Szene wie Alan Jackson, Brad Paisley - und wer eigentlich noch?
Ist nicht der Rest abgewandert inzwischen? Patty Loveless, Dolly Parton - um mal
zwei zu nennen. Und Alabama will im nächsten Jahr folgen. Alabama, aha!