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Am 12. September 2002
Don Williams im Crystal Palace in Bakersfield
Ein  Konzertbericht von Hauke Strübing

J
ede Generation hat ihre eigene Musik. Nach dem 2. Weltkrieg war es die Hillbilly Music. Dann kamen Hank Williams, Lefty Frizzell, Webb Pierce, Carl Smith, Ray Price. Elvis veränderte die musikalische Landschaft grundlegend. Der Nashville Sound hatte seine Väter Ende der Don Williams am 12. September 2002 in Bakersfield50er Jahre in Chet Atkins, Don Law und Owen Bradley. Eine Welt brach für viele zusammen, als die Legionen von Streichern nicht mehr aus der Welt der Country Music rauszuhalten waren. Mitte der 60er Jahre kam der Country-Folk als Antwort auf die Flower-Power-Bewegung auf. Oder besser wohl: Die Country Music passte sich an! Und in den 70er Jahren gab es nur noch ein Schlagwort: Crossover. Gezogen wurde von Country in Richtung Pop (hier lag das dicke Geld), und dann kamen auch solche aus der falschen Richtung: John Denver, Charlie Rich, Olivia Newton-John. So „schlimm" deren Musik in den Ohren der Country-Traditionalisten auch klang – ohne die Denvers, Riches und Newton-Johns hätte die Country Music ab Mitte der 70er Jahre nicht den heute schon legendären Aufschwung in Don Williams am 12. September 2002 in BakersfieldDeutschland gehabt. Plattenfirmen veröffentlichten reihenweise Country-Vinyl, mehr und mehr Rundfunkanstalten (die Privaten gab´s noch nicht) nahmen Country-Sendungen in ihren Sendeablauf auf. Auch das Fernsehen kümmerte sich um die Country Music (Auftritte in Radio Bremens "Musikladen" und im ZDF  in der "Disco" bei Ilja Richter), deutsche Bands wuchsen aus dem Boden – und dann kam der „Gentle Giant", der „stille Don". Dann kam Don Williams. In dieser Situation des Aufblühens fand der Sänger mit der ruhigen Stimme einen extrem gut vorbereiteten Boden für seine Musik: Nicht mehr Hillbilly, kein Crossover – schlichte und einfache Musik, die alle Lager zu vereinen schien. Don Williams war der Star der Stunde. Aus London kam die Kunde, daß er mit seiner 2-Mann-Band (!) 11.000 Zuschauer im riesigen Wembley Pool ausflippen ließ. ARIOLA veröffentlichte bei uns fortan sämtliche Don Williams-Neuheiten. Schon einige Monate vor seinem Wembley-Auftritt erleben wir Don Williams im kleineren Rahmen in Stuttgart im Candlelight Club der US-Army. Dann immer wieder auch in London und am 16. April 1982 bei seinem 1. Auftritt vor deutschem Publikum in Frankfurt (am 14. April war er in Berlin).

Die Zeit vergeht. Es wurde Don Williams am 12. September 2002 in Bakersfieldruhiger um den Texaner aus Floydada, Texas. 1994 erwischen wir ihn wieder in Branson, Missouri. Charley Pride hatte just sein Theater eröffnet. Für eine Saison ist Don Williams mit von der Partie. Und hier beginnt eigentlich die Story, die im weiten Bogen zu seinem Auftritt am 12. September 2002 in Bakersfield führt. Damals in Branson blieben uns zwei Dinge in steter Erinnerung: Immer noch zauberte er mit seinen 2 Musikern jenen Sound in den Saal, der sich so wenig von seinen Plattenaufnahmen unterscheidet. Und erstmals beobachtet legt er eine Show auf die Bühne, die dem Begriff „Bühnenshow" im eigentlichen Sinne jeglichen Hohn spricht. Machte er doch alles andere als eine Show. Er saß und saß und saß während der 60, 70 Minuten auf seinem Hocker mit Lederlehne, die Füße auf einem mit dem Hocker verbundenen Kasten ohne auch nur die geringste Andeutung einer Bewegung. Dieser Mann ist ein Weltwunder an Bewegungslosigkeit, und wenn schon, dann bitte gaaaaaaaanz langsam den Kopf nach links. Aber dann nicht gleich wieder nach rechts. Und dann erst der Sprachkontakt mit dem Publikum! Unterhaltung bedeutet für ihn ein einziger Satz – wiederum Don Williams am 12. September 2002 in Bakersfieldgaaaaaaaanz langsam Wort für Wort. Das Publikum bejubelt jedes Wort. Und dann wird er noch langsamer. Freunde, das ist nicht übertrieben oder untertrieben (mir fehlt jetzt der richtige Ausdruck), das ist jetzt kein Gag von mir, das ist so! Damals vor mittlerweile 27 Jahren hat mir mal ein Leser von COUNTRY CORNER vorgeworfen, ich bewundere Don Williams zu sehr. Don Williams am 12. September 2002 in BakersfieldNachdem ich ihn nun in Bakersfield wieder in Concert erlebt habe, gebe ich gaaaaaaanz ehrlich zu: Ich bewundere Don Williams. So sehr, daß ich mir an jenem 12. September 2002 gleich beide Shows von ihm angesehen habe. Ich bewundere seine Art eine Show hinzulegen, die keine ist, die vielmehr von seinen Liedern lebt. 17 Lieder trägt er vor. 17 Lieder aus alten Zeiten (nur „Listen To The Radio" vermisse ich, doch da könnte ich mir vorstellen, daß er vom Radio mittlerweile auch die Nase voll hat und das Lied bewußt ausspart), alles sitzend auf seinem Thron, begleitet inzwischen von einer Big Band (!!), von einer 5-Mann-Band (strammes Alter bis Altherrenriege). Nur einmal bittet er das Publikum (bitte schön, typisch Don Williams, er bittet!), das nächste Lied stehend vortragen zu dürfen. Es ist das wohl eindruckvollste Lied seiner ganzen Karriere. Und er muß das wissen, sonst würde er nicht stehend diese "Show-Einlage" geben: Ein Gospel, der unter die Haut geht, vorgetragen in Kleinstbesetzung (nur Keyboards) a cappella: „I´ll Be Faithful To You".

Dann die Rückkehr zur Normalität, zurück auf den Stuhl, vor ihm ein weiterer Hocker, auf dem aufreizend eine Tasse steht, schon seit Beginn seiner Show. Don Williams und seine Tasse. Kaffee ist drin, einige Zuschauer wollen es genau wissen: Es ist Kaffee! Und auch zur Normalität seiner Show gehört diese andauernde rührende Bewegung seines linken Fußes im Takt Don Williams am 12. September 2002 in Bakersfield, Tippy Toeder Musik: Fußspitze hoch, Hacke hoch und Kreisen des Fußes. Sprach ich vorhin von Bewegungslosigkeit? Das war dann doch wohl falsch, denn sein Fuß ist ständig in Bewegung und der glatte Kontrast zum Rest des Körpers. Apropos Fuß: Haben Sie schon einmal einen barfüßigen Drummer erlebt? Home sweet home, irgendwie ist die ganze Atmosphäre so schön heimisch im netten Rund des Crystal Palace. Der Chef sitzt, seine Angestellten stehen oder sitzen ebenfalls brav auf der Bühne, sie singen und spielen herrliche Melodien. Alles klingt wie damals auf den Platten. 16 Lieder waren es bislang. Nach „I Recall A Gypsy Woman" ist die Lehrstunde für schöne Country Music vorbei. Halt, noch nicht ganz: Der Chef bewegt seinen Kopf nach rechts, dann nach links - jeweils fragend. Jawohl, die Band hat zugestimmt. Als Zugabe schließt sich „Louisiana Saturday Night" (eins seiner wildesten Lieder!) an, das Publikum jubelt. Don Williams und seine 4 Mannen mit Drummer im Hintergrund stellen sich in einer Reihe auf und machen eine tiefe Verbeugung. Dann noch zwei Worte: Thank you! Und das war´s. Aus und vorbei. So schnell habe ich noch niemand die Bühne verlassen sehen. (Los Angeles/La Mirada am 14. 9. 2002). Bilder: Hauke Strübing

 Don Williams am 12. September 2002 in Bakersfield, Good bye

Don Williams am 12. September 2002 in Bakersfield, Good bye 2