Uhr |
The
Great
George Jones
(2)
Manfred Vogel interviewte George Jones in
London - Ein Zeitdokument
Vorbemerkung: Dieser Beitrag erschien in der Oktober-Ausgabe 1975 der deutschen Country Zeitschrift COUNTRY CORNER. Der Bericht und das Interview von Manfred Vogel sind ein Zeitdokument und haben auch 27 Jahre nach der Veröffentlichung nichts an Bedeutung verloren.
George Jones war da - in London beim diesjährigen Country-Festival. Allein seinetwegen kamen Country-Anhänger von sehr weit her; für sie war das gute Dutzend der anderen Country Größen nur schmückendes Beiwerk.
George Jones im März 1975 in London. |
George Jones - bei seinem Namen fahren seine Anhänger aus den Sitzen hoch. "The Coon", so nennt man ihn seit den Tagen seines Bürstenhaarschnittes, ist schon seit langen Jahren eine lebende Legende in der Country Music, seine Erfolgslieder - zum großen Teil auch von ihm selbst geschrieben - sind kaum noch zu zählen.
Country Music Superstar auf der einen Seite, ein Mann, der auf der Bühne völlig in seinen Songs aufgeht und der eine elektrisierende Bühnenshow ganz einfach dadurch zustande bringt, daß er er selbst ist und die Lieder in der für ihn typischen Art phrasiert. Ein vereinsamter und in sich gekehrter, nachdenklicher Mann, der sich menschlich auf einer Talsohle befindet und mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein scheint, so als ob er krampfhaft versucht, etwas Unvorstellbares zu begreifen. Das war der George Jones, wie ihn COUNTRY CORNER in London antraf.
Aber die Show geht weiter, das Publikum verlangt sein
Recht. Zu frisch noch war die Trennung von Tammy Wynette, und zu viel schmutzige
Wäsche und Gerüchte hatte es um diese Affäre gegeben. An George Jones sind sie
nicht spurlos vorbeigegangen. Der Alkohol, dem George Jones zusprechen soll und
der der Grund für die Scheidung gewesen sein soll, konnte ihn in London nicht
reizen. In einer ruhigen Minute abseits vom Publikumsrummel fand sich George
Jones zu einem Gespräch mit COUNTRY CORNER ein. Daraus ein Auszug:
COUNTRY CORNER: Mr. Jones, Sie stammen aus Saratoga, Texas. Können Sie
in knappen Worten ihre Karriere umreißen?
GEORGE JONES: 1953 hat sie eigentlich begonnen. In diesem Jahr habe ich
meine erste Platte aufgenommen. Zuvor war ich bei der US Marine und hatte schon
einige Zeit bei verschiedenen Gelegenheiten mit einer Band gespielt. Nach dem
Wehrdienst wurde in Beaumont, Texas, gerade die Firma STARDAY gegründet. Dort
habe ich dann angefangen.
CC: Es hat seit STARDAY viele Stationen für Sie gegeben und wohl noch
mehr Erfolge. Ist es nicht schwierig, da immer noch nach weiteren Erfolgen zu
streben?
GJ: Es gibt immer etwas, wonach zu streben sich lohnt. Viele Künstler
versuchen, in der Pop Music Fuß zu fassen. Ich meine das nicht als Vorwurf. Auch
ich mag den modernen Sound, aber ich will strikt COUNTRY bleiben. Da steckt
meine ganze Liebe drin, und solange ich dann und wann ein Lied habe, das den
Leuten gefällt, ist das alles, was ich anstrebe.
CC: Es gibt aber wohl viele Country-Leute, die zur Pop Music gegangen
sind, und umgekehrt auch.
GJ: Wenn man so mit der Country Music verwachsen ist wie ich, dann steht
immer der Song im Vordergrund. Die meisten Country Leute sind ja auch nur mit
einem oder zwei Liedern in die Pop Charts gekommen. Man akzeptiert uns dort
nicht so, wie wir die Pop Sänger in der Country Music akzeptieren. Es hat zum
Beispiel viel Wirbel um Olivia Newton-John gegeben. Die Organisation ACE wurde
gegründet. Ich kenne Olivia und mag sie sehr gern, würde sie aber nie als
Country Sängerin bezeichnen. Dies sind Dinge, gegen die wir uns viel früher
hätten wehren müssen. Vielleicht ist es heute schon zu spät. Ich wünsche, daß
meine Kinder in 10 oder 15 Jahren noch echte Country Music hören können. Dazu
muß die ständige Experimentiererei mit dem Sound aber aufhören!
CC: Wir wollen nicht auf die unschönen Vorgänge zwischen Ihnen und Tammy
Wynette eingehen. Aber wie schwer war es für Sie, eine neue Band
zusammenzustellen?
GJ: Jeder hat seine privaten Probleme, und ich bin noch nicht fertig
damit. Was die Band angeht, habe ich Freunde gehabt, die mir während der
schweren Stunden geholfen haben. Sie haben auch die Band zusammengesucht. Bei
unserem ersten Auftritt in Houston waren alle sieben Musiker völlig neu für
mich. Doch sie haben großartig gespielt. Das war im Januar (1975).
CC: Blenden wir noch einmal zurück in die ersten Jahre im Business. Es
gab damals eine Firma "D"-Records.
GJ: Dieses Label gehörte Pappy Dailey. Es war der Vorläufer von STARDAY.
Und ich habe auch auf "D" schon gesungen. Ich hatte aber keinen Vertrag mit "D".
Pappy Dailey habe ich praktisch meine Karriere mehr oder weniger zu verdanken.
Im Laufe der langen Jahre habe ich sehr viel mit ihm gearbeitet.
CC: Gibt es Pläne, in naher Zukunft eine Europatournee zu starten?
GJ: Ich war 1965 in Deutschland und würde gern wieder dort auftreten.
Denn ich weiß, daß es in Deutschland sehr viele George Jones-Fans gibt. Ich habe
erst gestern mit Mervyn Conn darüber gesprochen. Danach sieht es gut für eine
etwa zweiwöchige Tournee aus, die mit Sicherheit England beinhalten wird. Ob es
auch nach Deutschland, Holland und Skandinavien gehen wird, kann ich heute noch
nicht sagen.
(Anmerkung: Diese Tournee führte ihn dann nur nach Großbritannien - und zwar vom
11. bis 25. September 1975).
Und abends stand er dann auf der Bühne, als letzter Künstler des gesamten diesjährigen Festivals im Wembley Pool. Die Zuschauer waren bereits nach mehr als vierstündigem Programm leicht ermüdet. George Jones machte sie innerhalb weniger Sekunden wieder munter! Es ist bedauerlich, daß ihm nur wenig Zeit blieb, sein so unerschöpfliches Repertoire bruchstückhaft vorzustellen.
George Jones hält mit seiner Meinung nicht hinter dem
Berg zurück. Und genauso schreibt er seine Lieder, so trägt er sie auch vor.
Diese direkte, ungekünstelte Art ist es, die ihn seit mehr als 20 Jahren seit
"Why Baby Why" an der Spitze der Country Music gehalten hat.
Im Country Music Business kann man George Jones kein X für
ein U vormachen. Er weiß, wie der Hase läuft. Und so wird er seine menschliche
Krise sicher bald überwunden haben und auch ohne Tammy Wynette sein Publikum
begeistern. Ohnehin gibt es Leute, die behaupten, seit er und Tammy Wynette ihr
Eheversprechen und die EPIC-Schallplatten-Ehe eingingen, George Jones sei eben
nicht mehr der alte George Jones. Die Platten-Ehe besteht zwar auf dem Papier
noch, doch dürfte mit neuen Duettaufnahmen wohl keineswegs mehr zu rechnen sein.
Man darf gespannt sein, wie sich die Karriere von George Jones weiter entwickeln wird. Zu sehr ist er Musiker, zu sehr ist er mit der Country Music verwachsen, als daß er sich von ihr lossagen könnte.
Das Porträt "The Great George Jones" besteht aus 3 Beiträgen: Im 3. Teil folgt der ultimative Versuch einer möglichst vollständigen George Jones-LP/CD-Diskographie.