Der Nashville Sound
Da stand man nun wieder einmal. Bill Haley und Elvis Presley lösten einen wahren
Rock'n'Roll-Rausch aus, der erhoffte Siegeszug der Country Music in den Osten
Amerikas und in die dichtbesiedelten Städte erfuhr indes einen jähen Halt.
"Country goes to town" sollte das Motto der Zukunft heißen, daraus wurde einmal
mehr nichts - das heißt, zunächst einmal nicht. Während man sich bei uns immer
noch siegestrunken an den Gewinn der Fußballweltmeisterschaft (1954) erinnerte
und sich an den melancholischen und fidelen Hillbilly-Songs via AFN erfreute,
setzten 1956 in Nashville die ersten Überlegungen ein, wie man sich aus diesem
desolaten Zustand befreien könnte.
Die Produzenten Chet Atkins, Owen Bradley, Don Law und Steve Sholes und die
Studiomusiker Harold Bradley, Floyd Cramer, Hank Garland, Buddy Harman, Grady
Martin und Bob Moore u.a. bastelten ihrerseits an einem neuen Sound - für die
Country Music recht ungewöhnlich, nachdem hier doch vieles in der Vergangenheit
so verbraucht wurde, wie's gewachsen war. Die Kreation hieß dann: NASHVILLE
SOUND.
Aber in den ersten Jahren sprach man wohl mehr über diese Kreation, als daß sie
Wirkung zeigte. Mehr noch: Die Country Music drohte,ins stilistische und
inhaltliche Mittelmaß abzusacken - man gab sehr viel Eigenständigkeit auf, die
richtige Idee wollte wohl noch nicht so recht zünden, die Country Music sog wohl
auch zu sehr den Pop-Sound in sich auf. Da galt allenthalben der Backgroundchor
als ein Allheilmittel. Und das rief die Country-Traditionalisten auf den Plan:
In mit harten Bandagen geführten Diskussionen und Wortgefechten ging es um die
Frage: Was ist nun noch Country Music, was ist sie nicht mehr.
Tatsächlich präsentierte sie sich in voller Breitseite als substanzloses
Country-Allerlei. Es lebe die Country-Schnulze! Viele typische Eigenheiten
traten ins zweite Glied zurück: die typische Instrumentierung mit Steel Guitar
und Fiddle, der nasale Gesangsstil - eh und je todsicheres Erkennungsmerkmal von
Hillbillianern - wich einer salopperen Gesangsart. Und zurück ins zweite Glied
marschierten auch fast zwangsläufig die traditionellen Stilrichtungen: die Old
Time Music, die Cajun Music und selbst die Bluegrass Music. Sie blieben vorerst
einmal die Musiken einer (allerdings recht) großen Minderheit. Denn in Nashville
regierte allenthalben der Kommerz auf dem Country-Sektor. Und Nashville
bestimmte, was läuft!