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Als die Country-Platten aktuell waren
Was die Kritiker damals über LP-Neuheiten schrieben (4)
Zusammengestellt von Hauke Strübing

4. Folge dieser Serie. Bei vielen Besprechungen werden Sie Meinungen und Ansichten wiedererkennen, von denen Sie heute bestimmt nicht mehr annehmen, daß es sie auch damals schon gab. Unterhalb der Besprechung einer LP ist der jeweilige Autor angegeben, dahinter in Klammern das Datum der Veröffentlichung.

 

Deutsche Premiere für DON WILLIAMS
"Harmony"  - ABC/DOT 274o1 XOT (Ariola)
Till The Rivers All Run Dry -You Keep Coming 'Round - Don't You Think It's Time - I Don't Want The Money - Where The Arkansas River Leaves Oklahoma - Say It Again - Maybe I Just Don't Know - Magic Carpet - Time - She Never Knew Me - Ramblin
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Lange Jahre galt Don Williams in Deutschland als Geheimtip Eingeweihter. Das hat sich in letzter Zeit geändert und spätestens seit Ostern 1976 weiß man es ganz genau: Don Williams ist der neue Country-Star an der europäischen Front! Dieser V/andel kam nicht von ungefähr» Don Williams tourte Ende 1975 durch Deutschland (US-Clubs), trat in Holland auf und begeisterte an Ostern '76 ein volles Wembley-Haus, Jetzt fehlte nur noch das entsprechende Plattenmaterial - zumindest bei uns. Die Engländer haben mittlerweile die große Katalogauswahl: zugänglich sind alle sechs Don Williams-Alben. In Deutschland gab es nun in der 1. Juniwoche die lang erwartete Premiere. Ariola veröffentlichte das sechste, das "Harmony"-Album. Harmonisch fügt sich "Harmony" in das jetzt volle halbe Dutzend ein. Wer da geglaubt hat, Don Williams würde mit dieser Produktion auch nur annäherungsweise von seiner Linie abweichen, der sieht sich getäuscht. Aber wer tut das schon! Man erwartet den Don Williams von Volume 1, von Volume 2, von Volume 3 (ehedem J-M-I-Produktionen) und von 'You're My Best Friend' - und hat seine helle Freude an diesem neuen Prachtstück, Erstmals knüpft er eine musikalische Verbindung zur Vergangenheit mit der Aufnahme "Time", die ihm und den anderen Partnern der Poso Seco Singers zu Columbia/CBS-Zeiten Mitte der 60er Jahre den größten Erfolg bescherte. Niemand würde es wundern, wenn die "Time"-Neufassung 1976 abermals an die Hitparaden-Spitze rast. Zwei andere Titel dieser LP rasten bereits: "Till The Rivers All Run Dry" und "Say It Again". Die heute schon fast unübliche 11. LP-Aufnahme ist übrigens eine Instrumental-Zugabe. Ein Typischer Don Williams - ohne Don Williams. Alles in allem ist Harmony" eine stilistisch ausgeglichene Produktion voller musikalischer Höhepunkte. Es wäre ein Jammer, wenn "Harmony" hier bei uns unter die Räder käme!  Hauke Strübing (1976)

 

TANYA TUCKER: TNT      METRONOME 0062.123
Lover Goodbye / I'm The Singer, You're The Song / Not Fade Away / Angel From Montgomery / Heart-break Hotel *** Brown Eyed Hand-some Man / The River And The Wind / If You Feel It / It's Nice To Be With You / Texas (When I Die)


Das Cover kündigt eine Ladung Dynamit an - Tanya Tucker zeigt sich als Vamp. Damit vollzieht sich auch musikalisch die Wendung hin zum Rock. Wer allerdings mit 13 Jahren als Country-Stimmwunder eine sensationelle Karriere startete, kann auch sieben Jahre danach die musikalischen Wurzeln nicht mit einem Schlag unter den Teppich kehren. „TNT" ist ein Album, bei dem der Rock dominiert - es wird demzufolge in Deutschland ^uch als"' Rock-LP in der Promotion bedacht ,Dennoch beinhaltet es mit „Texas" (When I Die) Tanya Tucker's derzeitigen Country Top Ten Hit. Es ist ein echter Country Song, geschrieben von Ed Bruce und musikalisch getragen auch vom Dobro-spiel des Jerry Swallow. Gut gelungen ist auch die Ballade „The River And The Wind". Bei den anderen Songs dominiert ein teilweise harter Rocksound, doch bleibt Tanya Tucker stimmlich im Grunde Country wie man sie kennt. Und in der Interpretation von Country Songs, die ruhig modern-progressiv arrangiert werden können, liegt ihre Stärke. Es ist mehr als fraglich, ob sie sich als Rock-Lady durchsetzen kann. Vielleicht kehrt auch sie reumütig wieder ins Country-lager zurück, wie es manch anderer getan hat. Bei diesem in Burbank aufgenommenen Album wirkten einige prominente Kollegen der Sängerin mit: Phil Everly, John Prine, Tanya Tucker's Schwester LaCosta, ihr Produzent Jerry Goldstein und Jody Payne von den Waylors - alle als Backgroundstimmen.
 Manfred Vogel (04/1979)

 

KENNY ROGERS - THE GAMBLER          UNITED ARTISTS UA-LA 934 - H  (U.S.A.)  -  The Gambler / I Wish That I Could Hurt That Way Again / King Of Oak Street / Making Music For Money / The Hoodooin' Of Miss Fannie Deberry *** She Believes In Me / Tennessee Bottle / Sleep Tight, Goodnight Man / A Little More Like Me (The Crucifixion) / San Francisco Mabel Joy / Morgana Jones

Viele der bisherigen Kenny Rogers-Alben bestachen durch einen herausragenden Hit in den 10er, 11er bzw. 12er Kopplungen. Der Rest mußte quasi mitgenommen werden - den Country-Anhänger quälte dieser Gedanke beim Kauf seiner Alben stets. Vor allem auch der Gedanke, mehr von diesen superweichen MOR-Dingen im Plattenschrank zu haben, als der eigene Geschmack zuläßt, hat da und dort eine gewisse Kenny-Rogers-Reserviertheit aufkommen lassen. Würde man nun den ersten US-Rezensionen der „Trades" Folge leisten, träte man endgültig und voll in den Leimtopf! Wie unterschiedlich nämlich die Auffassung von Pop und Country drüben und hier sein können, zeigt dieses „Gambler"-Album. Als Pop angepriesen hat es ohne Zweifel Qualitäten für den US-Popmarkt. Sollte allerdings die Höhe der erstausgelieferten Platten diese Popqualität von vornherein für den Fach Journalisten signalisieren, dann gilt es hier, sich an diesem Maßstab nicht zu beteiligen. Tatsächlich erreichte THE GAMBLER schon bei der Erstauslieferung Gold-Status (500 000 Stück). Aber deswegen kann es natürlich auch als ein Country-Album eingestuft werden. Selbstverständlich nicht im traditionellen Bereich. Wie immer sind die Gitarrenarrangements in den Larry Butler-Produktionen ein Ohrenschmaus. THE GAMBLER enthält nicht nur den Hit „The Gambler", sondern geradezu eine Häufung von typischen Songs à la Kenny Rogers („I Wish That I Could Hurt", „King Of Oak Street", den Bobby-Bare-Single-Erfolg „Sleep Tight, Goodnight Man", „San Francisco Mabel Joy" und „A Little More Like Me"), gelegentlich klingt's auch rockig und bluesy. Kenny Rogers zeigt Stil! Das US-Album (zumindest) ist schmuck ausgestattet mit farbigem Poster. Hauke Strübing (02/1979)  Siehe auch: "Der lange Weg eines großen Hits - The Gambler"